Daniel in seinem Zimmer ist endlich eingeschlafen. Sandra fällt in Bekleidung erschöpft
auf das Bett. Die Kamera verweilt von schräg oben im Anblick ihrer allmählichen
Ausrichtung einer Embryonalhaltung. In die langanhaltende Kameraeinstellung
läuft der Hund Snoop, springt aufs Bett, legt sich neben Sandra und beide
bewegen sich auf der Suche nach der besten Position ineinander. Sandra bleibt
in der Seitenlage, umarmt Snoop und sie finden zusammen Ruhe.
Durch den abschließenden Anblick der eng beieinander in den Schlaf fallenden
Kreaturen wird ein anderes Bild aus der Geschichte der Literatur
wachgerufen. Zum Ende der Anatomie eines anderen Falls liegt die Frau
statt auf dem Bett unter der Erde und der Hund auf dem Grab neben der
Marmorplatte, den Kopf in die Pfoten gesteckt:
„Sieh, Briest, Rollo liegt wieder vor dem Stein. Es ist ihm doch noch tiefer
gegangen als uns. Er frisst auch nicht mehr.“ „Ja, Luise, die Kreatur.“
Im Spiegel dieses alten Falls, bei dem die Tochter der Luft in ihrer Ehe von
der Schaukel des Lebens gestürzt ist und zugrunde geht, hat Sandra im Bild des
kreatürlichen, vereinigenden Beisammenseins mit Snoop ein besseres Ende für
sich. In ihrem Fall ist der Ehemann zu Tode gestürzt, und den Betrachtern
stellt sich, mit Blick auf Effi, vom Ende her die Frage, wie in diesem
Geschehen Sandra ihr Überleben an der Seite des Hundes bewerkstelligt
hat.
Der Film ist, ohne hier deutend in einzelne Sequenzen zu gehen, in der
Darstellung der Kommunikation des Ehepaares und der Auseinandersetzungen bei
Gericht ein Lehrstück ständig eskalierender Verschiebungen und Verfehlungen des
Verstehens bei allen Beteiligten. Die Logik der Tat kann weder von der
diskursiv ausgestellten Ebene der Geschichte des Paares noch im Bereich der
gerichtlichen Verständigung und des Freispruchs von Sandra eingeholt werden.
Die Frage, ob Sandra ihren Mann Samuel hinuntergestoßen oder er sich aus
eigenem Antrieb zu Tode gestürzt hat, trägt und strukturiert den Blick der
Zuschauer auf den Film. Ist der Umstand, dass sich der Hund Snoop am Ende zu
Sandra legt, als Zeichen ihrer Unschuld, als Freispruch zu verstehen? Oder
zeigt die Kreatur Snoop in der Nähe zu Sandra die Legitimität ihrer Tat an,
jenseits bürgerlicher, strafrechtlicher Kategorien? Hat der Ehemann durch seine
genuine Dominanz, die sich gleich zu Beginn in der maßlosen, gewalttätigen
Lautstärke seiner Musik ausdrückt, die Sandras Lebensraum abtötet, den Tod
durch ihre Hand hervorgerufen und kreaturrechtlich verdient?
Daniel spiegelt als Autor mit der vermeintlich erinnerten, doch wahrscheinlich
erfundenen Erzählung von Samuels dunkler, bedrohlicher Prognose des Todes von
Snoop als Deckfigur seiner eigenen Selbstmordabsicht, die zum Freispruch von
Sandra führt, die kreaturrechtliche Legitimität und literarische Produktivität
des Handelns seiner Mutter. Er setzt mit einer phantasievollen Überlieferung die
Macht des Gerichts in seiner patriarchalen Tradition rationaler Urteilsfindung
außer Kraft. Denn Sandra hat keine Schuld, wie Effi keine gehabt hätte, wenn
Innstetten im Duell von Crampas erschossen worden wäre. Sandra braucht hingegen
in der Moderne keinen anderen Mann mehr, um in Abwehr der Übergriffe das Duell
für sich zu entscheiden. Kreaturen unter sich.